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Alternativer deutscher BoxverbandEine sehr besondere Familie

Der auf Initiative des russischen IBA-Chefs entstandene Verband German National Boxing Association ist ein kryptisches Gebilde – mit ungewisser Zukunft.

Deutsche Repräsentantin bei der IBA-WM im März: Sarah Scheurich (r.) im Kampf gegen die Türkin Busra Isildar im serbischen Niš Foto: Aleksandar Djorovic/imago

Im Internet habe er von der offenen Stelle gelesen. „Das fand ich super und habe angerufen“, erzählt Alexander Tilinin. Wenig später hatte er den Job als deutscher Box-Bundestrainer des neu gegründeten Verbandes German National Boxing Association (GNBA), der im Mai 2024 seine Arbeit aufnahm. Nebenbei betreibt er seit vielen Jahren den Boxclub Viking e. V. in Neuendettelsau südlich von Nürnberg. Was ihm an seinem neuen Arbeitgeber gefällt? „Sie machen keine Sportpropaganda“, sagt Tilinin. Er spielt auf den Deutschen Boxsport-Verband (DBV) an, unter dessen Dach er im bayerischen Landesverband arbeitete und der ihm mittlerweile Hausverbot für all seine Veranstaltungen erteilt hat.

Der DBV hat sich nach längerer Bedenkzeit aus den Fängen des Weltverbands IBA gelöst, der vom Russen Umar Kremlew geführt wird und sich mit reichlich Gazprom-Geldern wieder das Recht auf die Austragung der olympischen Turniere zurückerobern wollte. Wegen anderer zwielichtiger Präsidenten zuvor und etlichen Korruptionsskandalen hatte das Internationale Olympische Komitee die Aufsicht einstweilen übernommen.

Aus Sicht von Tilinin, der in der ehemaligen Sowjetunion in Kasachstan groß wurde, hätte der DBV der von einem bekennenden Putin-Freund geführten IBA besser die Treue gehalten. Vom Ausschluss Russlands aus dem Weltsport hält er sowieso nichts. „Wir sind Sportler, keine Politiker.“

Tilinin arbeitet nun für den auf Initiative der IBA gegründeten Alternativverband GNBA. Das internationale Boxturnier, das er seit Jahren in Neuendettelsau organisiert, findet dieses Mal von Gründonnerstag bis Ostermontag als IBA-Event statt. Russische Boxer werden zum Bedauern von Tilinnin wegen der Visa-Bestimmungen in Deutschland nicht dabei sein. Und es ist ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass aus der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw zehn Boxer zu seinem Turnier anreisen werden.

Woher kommt das Geld?

Sein neuer Verband mache vieles besser, findet Tilinin. Als er kürzlich zur IBA-Frauenbox-WM ins serbische Niš reiste, habe die GNBA alle Kosten komplett übernommen. Das kannte er so bislang nicht. Zwei deutsche Athletinnen betreute er. Sarah Scheurich, die sich auch im Kampf gegen sexualisierte Gewalt mit dem DBV überworfen hatte, und Melani Volkova. Die IBA hat ebenfalls für die Athleten den Geldhahn aufgedreht. Mit einem Scheck über 100.000 Dollar posierten die Goldmedaillengewinnerinnen bei der WM im Ring vor den Fotografen.

Doch woher verfügt der neu gegründete Verband, dem ohne Anerkennung des DOSB die staatliche Unterstützung fehlt, über so viel Geld? DBV-Sportdirektor Michael Müller sagt, auf einer Zoomsitzung, die er mit den Verantwortlichen vom GNBA nach deren Neugründung gehabt habe, hätten diese freimütig erzählt, vom russischen Staatskonzern Gazprom finanziert zu werden. GNBA-Generalsekretär Michael Wachter, der bei der Sitzung dabei war, widerspricht. Das sei ein Märchen, um den Verband zu diskreditieren. Es seien Sponsorengelder, die durch die Geschäftsbeziehungen der Gebrüder Bakos geflossen seien.

Ohne die aus Usbekistan stammende Familie Bakos, so viel lässt sich sagen, gäbe es die GNBA nicht. Über die Familie Bakos lässt sich wiederum nur begrenzt etwas sagen. Manches bleibt undurchsichtig. Ein direktes Gespräch sei schwierig, weil der GNBA-Präsident Lusen Bakos gerade und sowieso die meiste Zeit im Jahr in Dubai lebe, erklärt Wachter. Ab und an käme er noch nach Berlin, wo seine Familie wohne. Vizepräsident Jonny Bakos halte sich häufiger in Berlin auf.

Und dann gibt es noch Adrian Bakos, Mitglied in einem Führungsgremium des Internationalen Ringerverbands. Über ihn, erzählt Wachter, ist IBA-Präsident Umar Kremlew an die Familie Bakos herangetreten. „In den Führungsstrukturen der Verbände wird der Tannenbaum immer spitzer“, erklärt Wachter. „Die kennen sich da alle.“ Die IBA habe den Wunsch gehabt, weiterhin deutsche Boxer auf ihren Veranstaltungen präsentieren zu können.

Kampfsportaffine Brüder

Die Familie Bakos ließ sich nicht lange bitten, auch wenn Lusen und Jonny Bakos ebenfalls nicht in der Welt des Boxens zu Hause sind. Lusen Bakos brachte Erfahrungen im Vorstand des Deutschen Mixed Martial Arts Verbands mit. Da war auch Wachter zuvor beheimatet.

Die kampfsportaffinen Brüder arbeiten zudem geschäftlich Hand in Hand. Im Import-Export-Handel haben sie sich auf Rohstoffe wie Eisen und Erdöl spezialisiert. Genauere Informationen zu der Art und dem Umfang der Geschäfte sind in digital zugänglichen Räumen nicht aufzufinden. Die Firmenwebsite kommt in ihrer Selbstbeschreibung mit einem Dreizeiler aus. Zudem vertreiben sie über ein anderes Unternehmen Geräte für Fitnessstudios und Equipment für Militär & Einsatztraining. Die beiden Firmen sowie die GNBA sind alle beim Amtsgericht Charlottenburg in Berlin registriert.

Auf den Profilen ihrer Instagram-Accounts lassen sich die Brüder gern auch mal mit Waffe fotografieren. Ihre spendablen Geschäftspartner tauchen auf der Website von GNBA nicht auf. Als Sponsor wird lediglich der Juwelier Hansjörg Kopp aus Heidenheim genannt, der sich laut einem lokalen Zeitungsbericht im Jahr 2017 mit Wladimir Putin auf der Krim für ein persönliches Gespräch traf.

Die GNBA hat nun nur ein Problem. Deren vom russischen IBA-Chef Umar Kremlew initiierte Gründung war mit der vagen Hoffnung verknüpft, wieder die Ausrichtung der olympischen Boxturniere übertragen zu bekommen. Mittlerweile hat sich aber auf starkes Betreiben von DBV-Sportdirektor Michael Müller mit World Boxing ein zweiter Weltverband etabliert, der just im März von IOC die vorläufige Anerkennung erhielt, künftig das Olympia-Boxen zu organisieren. Die IBA wurde dagegen suspendiert.

Schrumpfbestand der GNBA

Der ehemalige IBA-Funktionär Müller, der lange zögerte, bevor er Kremlew die Gefolgschaft aufkündigte, sieht sich indessen auf der Gewinnerseite. Die GNBA habe vielfach versucht, mit finan­ziel­len Versprechungen, Athleten und Vereine vom DBV abzuwerben. „Mit der Entscheidung des IOC“, sagt er, „sehe ich sie nur noch als temporäre Erscheinung.“ Den Schrumpfbestand der GNBA taxiert er bei 3 bis 4 Vereinen, 5 bis 6 Athleten und 3 bis 4 Trainern.

Diesen Zahlen widerspricht GNBA-Generalsekretär Michael Wach­ter nicht. Der DBV habe ja alles „weggebissen“ und mit Ausschlussverfahren bedroht. Als der Kampf der konkurrierenden Weltverbände um Olympia noch nicht entschieden war, hatte er dem DBV einen Deal vorgeschlagen. Der DBV solle jeweils seine beiden besten Boxer zu seinen internationalen Turnieren schicken und dafür der Nr. 3 und Nr. 4 die Teilnahme bei IBA-Turnieren ermöglichen.

Das hätte nicht nur mehr deutschen Boxern die Teilnahme an Großevents garantiert, sondern auch allen alle Zugänge offengehalten. Der DBV, so behauptet es Wachter, habe dafür einen nicht geringen Geldbetrag gefordert, den der GNBA nicht bereit war zu zahlen. Wachter fand das unlauter: „Wenn sie aus moralischen Gründen einer Kooperation verweigert hätten, wäre das ja noch verständlich gewesen.“

Für seine künftige Ausrichtung wartet der GNBA nun ab, welche Zukunftssignale die IBA setzt. Ein Einstieg ins Profiboxen hält Wachter für möglich. Man müsse zudem schauen, ob es jenseits des organisierten Sports und seiner staatlichen Fördergelder, die der Monopolist DBV einstreicht, einen Platz für den Verband gibt. Eine Zusammenarbeit mit Gyms, sagt Wachter, könne er sich vorstellen. Zuerst einmal steht jetzt in der Osterwoche das inter­na­tio­na­le IBA-Turnier in Neuen­det­tels­au an. Ein Fest der Wiederauferstehung wird es eher nicht werden.

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